Waiting room

I am a patient boy
I wait, I wait, I wait, I wait 
My time is like water down a drain
Everybody’s moving, everybody’s moving
Everybody’s moving, moving, moving, moving
Please don’t leave me to remain
In the waiting room

Fugazi – Waiting room

Wir alle (sollten) wissen, dass Alkohol nicht gesund ist. Es gilt mittlerweile als erwiesen, dass er neben körperlichen auch gravierende psychische Schädigungen herbeiführt. Als Abhängiger verdrängt man diese Tatsachen. Man vergleicht sich lieber mit Menschen, deren Konsum noch höher als der eigene ist, womit man das Gefühl erzeugen will, auf der „sicheren Seite“ zu sein.

Aber Hand aufs Herz: wie oft haben wir schon „Ab wann bin ich Alkoholiker?“ oder „Wieviel kann ich trinken, ohne Alkoholiker zu sein?“ gegoogelt?

All diese „Googeleien“ sind Unsinn, denn in Wahrheit weiß man längst, dass man eben nicht mehr auf der sicheren Seite ist. Warum sonst würde man Suchmaschinen bemühen?

Wenn ich über die letzten Jahrzehnte nachdenke, so muss ich zugeben, dass auch ich diesem Muster gefolgt bin. Auch Ich verglich mich mit Anderen und stellte auf Google diese Fragen. Bloß um irgendwie zum Schluss zu kommen, dass mein Konsum in Ordnung ist.

Was hat das Ganze mit Wartezimmern zu tun?

Ich war über viele Jahre immer wieder krank, körperlich, vor allem aber psychisch. Die körperlichen Probleme betrafen vor allem meinen Verdauungstrakt. Diese waren zwar sehr unangenehm, aber nicht besonders ernst. Bei den psychischen Beschwerden sah die Sache anders aus. Mich plagten über Jahrzehnte Angstzustände und Depressionen. Ich war deswegen immer wieder in Therapie und nahm über sehr viele Jahre hinweg Psychopharmaka. Selbstverständlich „behandelte“ ich meine Probleme mit Alkohol, auch während der Therapienphasen und während der Zeiten der Medikation. Therapeuten und Ärzte belog ich hinsichtlich der Menge meines Konsums. All die Jahre hatte ich Selbstmitleid. Ich war schließlich krank und es war keine Besserung in Sicht.

Ich pilgerte weiter zu Ärzten und ließ mir immer neue Medikamente verschreiben. Die Stunden die ich in Arztpraxen und Wartezimmern verbracht habe sind Legion. Ganz zu Schweigen von den Kosten. Mein Zustand aber verbesserte sich nicht. Wie sollte er auch? Ich trank ja weiter und ich trank immer größere Mengen. Dazu ein anderes Mal mehr.

In einem älteren Beitrag habe ich von meinem lichten Augenblick am 4. November 2021 erzählt. Eine der großartigen Erkenntnisse an diesem Tag betraf die Absurdität meines Verhaltens in Bezug auf meine Gesundheit: ich stellte mir die Frage, ob ich nicht bloß deshalb zu Ärzten lief, um trinken zu können. In Wahrheit also, um die Auswirkungen des Alkohols, vor allem auf meine psychische Gesundheit, erträglich zu machen. Ich sah plötzlich, wie blind ich, und wie absurd mein Verhalten war. Es waren die vom Alkohol verursachten Depressionen und Angstzustände, die ich mit Hilfe von Psychopharmaka in den Griff zu bekommen versuchte. Und ich verstand an diesem Tag, für den ich so dankbar bin, dass es eine Lösung gibt. Eine Lösung, die mich aus diesem Kreislauf bringen kann. Ich musste bloß aufhören zu trinken und ich würde nicht mehr im Wartezimmer warten müssen.

Dass Alkohol krank macht, wissen in Wahrheit wir alle. Auch wir Abhängige. Aber wir müssen diese Tatsache nur sehen wollen.


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