Süchtige haben lichte Momente. Ich meine damit nicht, dass sie hin und wieder nüchtern sind. Ich meine damit, dass sie in diesen Momenten tatsächlich bei Sinnen sind. Diese Augenblicke gibt es nicht allzu oft, sie bieten aber die seltene Chance, über die Sucht nachzudenken.

Man kann diese lichten Momente nutzen und tatsächlich in sich gehen, oder sie einfach ziehen lassen. Der zweite Weg ist der einfachere, denn ehrliches Nachdenken bringt meist schmerzhafte Erkenntnis. Lichte Augenblicke gibt es nicht oft, und man sollte wissen, dass jeder nicht genutzte vielleicht der letzte gewesen ist.

Ich hatte meinen lichten Moment am 4. November 2021: Es war Vormittag und ich machte eine kurze Pause auf meiner kleinen Terrasse. Der Tag im Homeoffice war anstrengend und ich wollte mit einer Tasse Kaffee ein paar Atemzüge im Freien tun. Für einen Novembertag war es noch warm und die Sonne schien mir ins Gesicht. Während ich mit geschlossenen Augen über die Arbeit nachdachte, kam mir Alkohol in den Sinn. Anstatt der üblichen Frage, wann und wie ich am schnellsten zu einem ersten Drink kommen würde, waren es an diesem Tag andere Gedanken. Mich beschäftigte plötzlich das, was der Alkohol aus mir gemacht hatte. All die üblen Situationen, in die ich durch die Droge geraten war und all die Verletzungen, die ich mir und anderen dadurch zugefügt hatte.

Und auf einmal war er da: mein lichter Moment. Mir wurde an diesem Donnerstag klar, an einem Punkt angelangt zu sein, hinter dem es kein Zurück mehr geben wird. Ich werde über all die Details noch viel schreiben, aber ich stellte mir an diesem Tag  erstmals vor, ganz mit dem Trinken aufzuhören. Nicht für eine Woche, nicht für einen Monat, sondern für immer. Ich stellte mir also vor, wie es wäre, NIE mehr Alkohol zu trinken.

Und die ehrliche Antwort auf diese Frage verursachte Panik. Pure PANIK.